BRAUBACHfive

Ursula Edelmann /
Georg Christian Dörr

50
Frankfurt
59

Architekturfotografie.
19. März - 15. April 2015 Verlängert bis zum 9. Mai 2015!
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Vielen Dank an / Special thanks to
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Auszüge aus dem Einführungvortrag von Frau Dr. Sabine Hock, Frankfurt. Die neue Ausstellung der Galerie Braubachfive macht es den Besuchern leicht. Jeder, der die Motive aus dem Frankfurter Stadtbild der Fünfzigerjahre betrachtet, entdeckt schnell ein Bild, das ihn ganz persönlich anspricht.

Doch nicht nur die Motive sprechen den Betrachter sofort an. Alle gezeigten Fotografien haben eine besondere Ästhetik, die den Beschauer in ihren Bann schlägt.Egal, ob er aus Frankfurt kommt oder nicht, egal, ob er das Motiv kennt oder nicht. Beide der gezeigten Künstler, Ursula Edelmann und Georg Christian Dörr, schaffen ihre Aufnahmen mit dem klassischen Blick des Architekturfotografen, der sich am offensichtlichsten auf den Gesamtaufnahmen etwa der Albert- Schweitzer-Schule von Ursula Edelmann und des Wohnhauses Oeder Weg 59 von Georg Christian Dörr ähnelt. Der Fotograf Georg Christian Dörr selbst liebt besonders die Gesamtaufnahme des Gebäudes der Oberfinanzdirektion (von Hans Köhler, Rolf Himmelreich, Ernst Schirmacher, 1955) in der Adickesallee 32, die u. a. durch die lange Belichtungszeit (etwa 4 Minuten) und die eigenarti - ge Farbigkeit eine besondere Dramatik bekommt, vielleicht aber auch nur, weil man weiß, dass es (außer dem vorgesetzten weißen „Präsidialbau“) inzwischen abgerissen wurde (für die Frankfurt School of Finance and Management) und damit das ursprüngliche Ensemble endgültig zerstört ist (wie ja auch im Falle der Großmarkthalle, deren Neubau als EZB heute eröffnet wurde). Was die Bauten der Fünfzigerjahre, um es einmal im klassischen Sinne mit Winckelmann zu sagen, in ihrer „edlen Einfalt und stillen Größe“ auf den Bildern sofort und wie selbstverständlich wirken lässt, ist eigentlich der großen Kunst der Architekturfotografie zu verdanken, die beide Fotografen, Ursula Edelmann und Georg Christian Dörr, exzellent beherrschen. Die Idee für diese Ausstellung ergab sich Anfang Januar 2015 mit der Neuerscheinung des Architekturführer „1950 Frankfurt 1959“ hörte, herausgegeben von Wilhelm E. Opatz, mit Fotos von Georg Christian Dörr und Ursula Edelmann.

Auf dieser Basis entwickelte sie diese Ausstellung. Es sind größtenteils historische Aufnahmen von Ursula Edelmann aus den Fünfzigerjahren, ganz klassisch mit großem Kameraaufbau (Stativ) auf Film („analog“) aufgenommen und hier als Barytabzüge in Schwarz-Weiß mit hellen Passepartouts in silbernen Rahmen aufgehängt. Zu sehen sind drei thematische Blöcke, einmal den Komplex der Deutschen Genossenschaftskasse am Taunustor (von Alfred Schild, 1950/57, abgerissen 2011), dann einen Mittelblock mit Bildern aus der Innenstadt, dem Bayer-Haus (von Stephan Blattner, 1953) am Eschenheimer Turm etwa oder dem Sozialbau der Stadtverwaltung oder den Bauten an der Berliner Straße, die Sie im Hintergrund des Bildes von unserem jetzigen Standort (der Galerie) erkennen, schließlich als dritten und letzten Block eine Serie von Bildern mit Bauten für den Alltag, einer typischen Wohnsiedlung z. B. und einigen Schulbauten (Riedhofschule, Schillerschule); ein paar weitere Bilder von ihr finden Sie auch noch im Raum und im Fenster, etwa das Bild der Coca- Cola-Fabrik an der Theodor-Heuss-Allee, das manchen überraschen mag. Wer weiß schon, dass es hier in Frankfurt wirklich einmal eine Coca-Cola-Fabrik gab? So sind die Bilder, entstanden einst aus dem Hier und Jetzt, dem Auftrag eines Unternehmens an das Fotostudio einer jungen Fotografin, inzwischen zu historischen Dokumenten geworden.

Mit ihren Architekturfotos dokumentierte Ursula Edelmann (damals noch unter ihrem Mäd- chennamen Pomplitz), geboren 1926 in Berlin und ausgebildet bei Max Baur in Potsdam, seit 1950 stetig Frankfurts Wiederaufbau, den Weg der Stadt aus den Trümmern zu neuem Leben, nach langen, dunklen Jahren voller Terror, Unterdrückung, Angst, Krieg und Not. (Entsprechung im Wiederaufbauprogramm der Paulskirche > Aufbruchstimmung.) Zitat aus früherer Rede über Ursula Edelmann:

Als „hell und freundlich“ wurde die Architektur jener Wiederaufbaujahre, insbesondere die Innenräume, in der zeitgenössischen Presse gern gelobt (etwa auch der hier gezeigten Schillerschule mit ihrem „Lichttreppenhaus“). Dass dies kein Stereotyp war, belegen die Architekturfotos von Ursula Edelmann aus jener Zeit. Die Gebäude und die Räume auf diesen Bildern scheinen zu atmen, ganz ruhig und gleichmäßig, nie stoßweise oder gehetzt. Sie fesseln den Betrachter nicht, sie nageln ihn nicht zwanghaft fest, etwa durch vordergründige Effekte oder spektakuläre Eyecatcher. Sondern sie geben dem Betrachter die Ruhe des Blicks, sie geben ihm die Freiheit zu sehen – dank der handwerklich gekonnten Sorgfalt, mit dem die Fotografin ihr Bewusstsein von Freiheit in ihren Bildern umsetzt. Trotz der ruhigen, geschlossenen Komposition sind viele Architekturfotos von Ursula Edelmann an irgendeiner Stelle offen, durchlässig – und gerade deshalb perfekt, ohne aalglatt oder gar seelenlos zu wirken. Mit einem Blick aus dem Fenster, einen Gang entlang, eine Treppe hinauf führen sie hinaus und hinauf in die Freiheit. Es ist daher sicher kein Zufall, dass auf vielen Fotos von Ursula Edelmann Treppen, Hallen und Türme zu sehen sind. Bei ihr erscheinen sie aber nie monumental und gewichtig, sondern immer licht und frei.

Ihre zeitlose Schönheit offenbaren die Bauten der Fünfzigerjahre auch auf den Fotografien von Georg Christian Dörr.. Es sind dies alles moderne Digitalaufnahmen, alle farbig, meist mit einer kleineren Kamera aus der Hand aufgenommen (natürlich außer den Langzeitbelichtungen), als Foto auf Alu kaschiert und mit Plexiglas überzogen. Schon daran sehen Sie, dass wir es hier eigentlich mit Bildern zweier Fotografengenerationen zu tun haben. Alle seine Bilder hat Georg Christian Dörr „aktuell“ aufgenommen, meist im vergangenen Jahr (2014/15) und im Zusammenhang mit dem erwähnten Buch. Georg Christian Dörr, geboren 1973 in Lich und seit 2000 selbstständiger Fotograf in Frankfurt (u. a. als Mitinhaber des Fotostudios lumen), setzt die klassische Architekturfotografie mit modernen Mitteln fort. Im Gegensatz zu Ursula Edelmann fotografiert er jedoch selten aus der sachlichen Totalen; er sucht oft einen anderen Blick auf eigentlich vertraute Gebäude zu gewinnen, geht dichter ran, wählt die Sicht auf Details, findet dadurch Strukturen, die von Ferne nicht erkennbar wären oder sogar völlig uninteressant erscheinen. Viele seiner Bilder sind graphisch angelegt/motiviert, etwa das Foto des Hauses im Oeder Weg 59 (von Herbert Schade, 1958), das sich bei näherem Hinsehen in eine Struktur aus lauter Dreiecken aufgliedert, wie gestern Gottfried Edelmann fasziniert feststellte, als wir die fertige Hängung vorab begutachteten. Die Bilderwand von Georg Christian Dörr hat einen besonderen Schwung, eine eigene Dynamik, die aus der Hängung der 14 eigentlich sehr unterschiedlichen Einzelmotive resultiert, ein Spiel aus Linien, Licht und Farben, das zugleich die Bilder Dörrs wie ihre Motive auszeichnet. Die Architektur der Fünfziger ist schlicht und manchmal gediegen, wie auf den Bildern von Ursula Edelmann (von der Deutschen Genossenschaftskasse), edel und klassisch, aber auch leicht und licht, manchmal bunt und verspielt, wie auf den Bildern von Georg Christian Dörr (von dem Treppenhaus der Carl- Schurz-Schule mit dem bunten Lichtspiel in graphischer Darstellung).

Zwischen den Lebensläufen von Ursula Edelmann und Georg Christian Dörr, ihren Bildern und deren Ästhetik lassen sich, bei aller vermeintlichen Unterschiedlichkeit auf den ersten Blick, immer wieder Vergleiche und Parallelen ziehen. Es finden sich nicht nur dieselben Motive auf beiden Wandseiten (etwa das Bayerhaus hier und dort). So verzahnt sich ihr Schaffen auf der mittleren Wand der Ausstellung, die sich mit zwei großformatigen Farbfotografien der Kunst am Bau der Fünfzigerjahre widmet, rechts dem Bundesadler vor dem Bundesrechnungshof (Adler von Hans Oskar Wissel; jetzt in Bonn), aufgenommen von Ursula Edelmann (eine ihrer wenigen Farbaufnahmen aus dieser Zeit: schwarz – rot – gold), links einem farbigen Rundfenster (von Ferdinand Selgard) aus der Herz-Marien-Kirche auf dem Mühlberg, eines von zwölfen, die die Apostel darstellen, aufgenommen von Georg Christian Dörr. Unser Apostel hier blickt neugierig hinter einer Säule hervor – über die Grenze hinweg, auf die Bilder der gegenüberliegenden Wand, die in ihrer Farbigkeit (pink/rosa – schwarz/ grau) wiederum mit der des Fotos korrespondiert.

Die Ausstellung ist insofern ein vielfacher Spiegel ihres Gegenstands, der Architektur der Fünfzigerjahre, die es noch immer zu entdecken gilt. Es lohnt sich.